MOCA - Museum of Contemporary Art Bangkok
Was wurde nicht schon alles über Bangkok geschrieben? Die großartige Stadt in Südostasien, der laute Touristenmagnet, die im Gegensatz dazu ruhigen, wundervollen buddhistischen Tempel, der beeindruckende Königspalast, die riesigen Einkaufszentren und einmaligen Sehenswürdigkeiten. Die Stadt mit dem alltäglichen Verkehrschaos, bestehend aus Autos, Tuk Tuks, Motorrollern und Taxis oder den unzähligen Straßenständen mit hervorragendem Essen und nicht zuletzt das Wichtigste, die herzlichen Thailänder.
Bangkok und ganz Thailand, ist aber auch ein Ort für die bildenden Künste. Mit einer kreativen und lebendigen Kunstszene vom traditionellen Kunsthandwerk bis hin zu moderner Malerei, Bildhauerei und Installationen.
Ein beeindruckendes Zeugnis der Kreativität und Vielfältigkeit zeitgenössischer, thailändischer Kunst ist das Museum of Contemporary Art Bangkok, kurz MOCA.
Wir fahren mit dem Taxi aus dem Stadtzentrum in Richtung Bangkoks Norden. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es nicht. Abgesehen von Bussen, deren Fahrpläne und Routen, auch nach mehreren Aufenthalten in Bangkok, noch immer ein Rätsel für uns sind. Die Sprachbarriere mit dem Taxifahrer haben wir überwunden, ihm erklärt wohin wir möchten und genießen nun die Fahrt. Nach einer halben Stunden kommen wir an und stehen vor einem großen, fast fensterlosen Gebäude.
Wir kaufen eine Eintrittskarte, gehen hinein. Fahren mit einer Rolltreppe in den ersten Stock. Gehen ein paar Schritte und stehen im ersten Ausstellungsraum. Was für ein Raum. Weiß. Mit hellem Licht geflutet. Groß. Sehr groß. Leere. Stille. An den Wänden hängen wenige Gemälde. Groß und in leuchtenden Farben. Die Gemälde sprechen für sich. Die Klarheit des Raumes lenkt den Blick auf das Gemälde. Die Kunst entfaltet ihre Wirkung im Raum und der Raum gibt ihr dazu die Möglichkeit. Die Räume sind fensterlos. Die künstliche Beleuchtung sorgt für eine gleichmäßige, klare Ausleuchtung. Die gesamte Architektur nimmt sich zurück und dient mit ihrem Minimalismus der Kunst, dabei lässt die Weite der Räume den Werken Platz zum Atmen. Das Wechselspiel aus Raum, Licht und Kunst sorgt für eine ruhige Stimmung, wobei der Betrachter sich auf die Gemälde konzentrieren und sich von ihrer Wirkung gefangen nehmen lassen soll.
Eröffnet wurde das Museum im Jahre 2012. Genau genommen beherbergt es die Privatsammlung des Mäzens, Unternehmers und Kunstliebhabers Boonchai Bencharongkul. Er ließ das Museum errichten, um die zeitgenössische thailändische Kunst, die er über drei Jahrzehnt gesammelt hat, einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Bei unserer Wanderung von Raum zu Raum und Stockwerk zu Stockwerk, werden wir immer mehr gefangen genommen von der Ruhe und Klarheit des Gebäudes. Unser Rundgang hat etwas von Meditation. Die Sinne werden beruhigt, der Geist ist frei von Ablenkung und nur die Kunst bleibt.
Der erste und zweite Stock ist den Werken einer Vielzahl thailändischer Künstler gewidmet. Gezeigt werden teilweise beeindruckend großformatige Gemälde, mit Motiven die oftmals surrealistisch und fantastisch anmuten, voller Farbenpracht und Detailfülle. Die Herkunft der Künstler zeigt sich in den von historischer, thailändischer Architektur und Alltagsszenen inspirierten Darstellungen. Die auf den ersten Blick heitere, ostasiatische Lebensart, die bei einem genaueren Blick ihre Schattenseiten besitzt, spiegelt sich in den Werken wieder und ist oft gepaart mit subtiler Gesellschaftskritik. Ebenso ist der Buddhismus ein immer wiederkehrendes Thema.
Im dritten Stockwerk finden wir uns unvermittelt in einem Raum mit leuchtend roten Wänden wieder, wodurch ein ganz neuer Sinneseindruck entsteht. Das kräftige Rot ist wie ein Warnsignal, die Sinne zu schärfen. Was für ein Kontrast zwischen dem dominierenden Schwarz und Weiß der großformatigen Gemälde und dem Rot der Wänden. Die Darstellungen von Tieren, Fabelwesen und buddhistischen Gottheiten erscheinen in einer besonderen Dimension und Tiefe. Etwas weiter erwartet den Besucher ein gegenteiliges Farbkonzept. Die Wände sind Schwarz und die Gemälde in tiefem Rot gehalten. Die Kunst setzt sich einerseits stark von den Wänden ab, andererseits findet ein Zusammenspiel der Gegensätze statt und Widersprüche lösen sich auf. Die antagonistischen Farben führen keine Trennung herbei, sondern erschaffen einen Gleichklang. Der Künstler, dem diese Räume gewidmet sind, ist Thawan Duchanee, einer der bedeutendsten Künstler Thailands.
Unser weiterer Weg führt uns durch einen schmalen, verschlungenen Gang. Die Wände sind schwarz und nur sehr spärlich punktuell von LEDs erleuchtet, es zeichnet sich schemenhaft der Umriss einer Galaxie ab, der Milchstraße. Wir bekommen das Gefühl, von der Unendlichkeit dieser Dunkelheit verschlungen zu werden. Der passende Name dieser begehbaren Installation: Passage Across The Universe. Wir laufen hindurch, ohne zu wissen was uns erwartet und wohin der Weg uns führt, wie eine Metapher für das Leben ansich. Aus der Dunkelheit kommend, betreten wir einen der größten Räume und einen der wenigen überhaupt, die von Tageslicht durchflutet werden. Vor uns das beeindruckendste Kunstwerk des Museums. Die Gemeinschaftsarbeit der drei Künstler Prateep Kochabua, Sompop Budtarad und Panya Vijinthanasarn. Drei monumentale Gemälde mit dem Namen „The Three Kingdoms“. Jedes der Bilder ist 7 Meter hoch und 3 Meter breit. Wir benötigen einen Moment um die Szenerie zu erfassen. Die Bilder zeigen Darstellungen der drei Königreiche Erde, Himmel und Hölle und sollen uns an den ewigen Kreislauf, das Samsara, aus Geburt, Tod und Wiedergeburt erinnern, den wir gemäß der Lehre Buddhas durchleben. Die Taten in diesem Leben bestimmen eines jeden Karma, gutes wie schlechtes, und unsere Existenz im nächsten Leben. Um diesen ewigen, unheilvollen Kreislauf zu durchbrechen und Nirwana zu erreichen, müssen wir loslassen von allen Bindungen, Begierden und Wunschvorstellungen, um damit durch Erkenntnis zur Erleuchtung zu gelangen.
Wir gehen langsam weiter und gelangen über das Treppenhaus in den vierten Stock. Dabei lassen wir die Ruhe der Architektur auf uns einwirken: das zurückhaltende Weiß der Wände und des Bodens, die klaren und freien Linien, durch eine große Öffnung im Dach strömt Licht herein, der Raum ist erfüllt von einer beruhigenden Helligkeit. Wir gehen die Treppenstufen hinauf in den letzten Teil des Museums. Dieser besteht aus einer eklektischen Sammlung von Gemälden und Skulpturen aus vielen Teilen dieser Welt, in verschiedensten Stilrichtungen.
Fast vier Stunden sind vergangen, seit wir das Museum betreten haben. Wir gehen hinaus und stehen wieder vor diesem großen, fast fensterlosen Gebäude, wo die Wärme der untergehenden Sonne uns empfängt. Das Gebäude hat sich nicht verändert, wir hingegen schon. Wir sind reicher an Sinneseindrücken, machten neue Erfahrungen und haben vieles über ostasiatische Kunst gelernt. Getreu dem Motto „Ars longa, vita brevis“, tauchen wir wieder ein in das pulsierende Bangkok.